ICH! KANN! ES! NICHT! MEHR! LESEN!
Fitter, healthier, cleaner, rawer, greener und noch mehr Anglizismen weiter kann ich diesen ganzen Selbstoptimierungsscheiß, der allenthalben propagiert wird, nicht mehr ab. Ständig versucht irgendwer zu suggerieren, dass wenn man erst dieses oder jenes isst, trinkt oder sportelt, dass man DANN aber endlich zufrieden und in Balance ist und sein Shakra im rechten Sternenbild hat oder was weiß ich.
Und nicht nur der eigene Körper ist ne Baustelle, Dein Leben, Dein Zuhause, Dein Alltag auch. Googelt man „aufräumen“, spuckt die Suchmaschine ca. 4.670.000 Ergebnisse aus, die ersten Fundstellen sind schnell runtergescrollt, zackt taucht Kondo auf. Offensichtlich vertritt die Japanerin die Idealvorstellung vom Aufräumen und Ausgemistet haben und Millionen Menschen folgen ihr wie die Lemminge.
Ha! Und dann noch Feng Shui und alles weiß und clean und die Bücher mit dem Rücken ins Regal. Ja ne is klar.
Nicht zu vergessen diese ganzen Stylingaccounts, Haare hier, Makeup da. Tutorials für die Augen, die Lippen, die fetten Augenbrauen usw.,
Mir geht das Gott sei Dank alles unmittelbar und echt am Arsch vorbei.
Auch ich versuche zwar tatsächlich gerade, etwas Gewicht zu verlieren, weil das gesünder für mich wäre. Das ist aber auch der einzige Grund, ich habe nämlich Verantwortung als Mutter.
Aber diese Abgrenzung schafft nunmal nicht jeder und das ist das Gefährliche daran. Diese ganzen Optimierungs-Extremisten, die Insta-Perfektionisten führen zu immer mehr Menschen – hauptsächlich Frauen – die sich davon unter Druck gesetzt fühlen. Die einem Ideal nachjagen, das überhaupt und realistisch gesehen nicht zu erreichen ist und die in ihrem Umfeld nur noch Mangel und Unvollkommenheit sehen, die den Wäscheberg vermeintlich nicht bezwingen und sich in einer einzigen Aufräumbewegung befinden, während andere scheinbar entspannt einen Latte-Macchiato schlürfen, während die in nude gewandeten Leibesfrüchtchen einen zuckerfreien, lactose und glutenfreien Kuchen essen, ohne zu krümeln.
Ja, meine Damen, dann ist das eben so. Nämlich dass das so scheint. Als ob diese ganzen durchgestylten Accounts die Realität widerspiegeln und als ob diese Menschen nicht morgens nach dem Aufstehen auch Aussehen wie ein überfahrener Biber. Wir sind alle keine Disneyprinzessinnen, sondern echte Menschen mit echten Makeln, Fältchen, Pölsterchen. Aber eben auch mit Charakter, Charisma und Geschichten. Mit Geschichten vom Kämpfen und wieder Aufstehen, Geschichten vom Durchhalten und Schlappmachen. Das macht unseren Wert aus. Und nichts anderes.
Kämpfen wir also nicht weiter den Optimierungskampf, sondern entspannen wir uns mal, bei und mit den Menschen die wir lieben und mit Sachen, die uns gut tun. Gut, das ist jetzt auch ein ungefragter Ratschlag, aber wenigstens poste ich dabei kein Kussmundfoto. Ihr könnt so froh sein!!
Und weil ich mich so schön in Rage geschrieben hatte, hab ich mal auf Twitter gefragt, welche Assoziationen bei dem Stichwort Selbstoptimierung kommen. Die Antworten haben mich tatsächlich nicht überrascht und sprechen für sich.
Lest selbst, was das Wort alleine für Reaktion hervorruft:
Wenn ihr das Wort Selbstoptimierung lest, denkt ihr…
— Tante Emma (@_Gemischtwaren) April 10, 2018
Die Menschen, die die Richtlinien für jobcenter Mitarbeiter schreiben.
— Nina (@Frau_Papa) April 10, 2018
An Entschleunigung, an unerledigte to do Listen, an den inneren Richter, an Selbstreflextion, an Selbstkritische Wahrnehmung
… dass das eine Gratwanderung ist zwischen hilfreich und gefährlich.
— Johanna (@Mupfmama) April 10, 2018
Schönheits-Op. Und dubiose Coachings. Also alles in allem nichts Positives, mehr in Bezug auf Wahn. Theoretisch könnte das ja auch was Gutes sein.
Noch mehr Druck. Ich steh zu meinen Fehlern und finde Selbstoptimierung einen Widerspruch.
https://twitter.com/Sui_Whatever/status/983658974410100736
Das mir zu viel „Man ist nur so oder so gut/besser“ drinsteckt. Dabei bin ich großer Fan von Reflexion und Veränderung.
— Julia Hartmann (@gutekinderstube) April 10, 2018
…an diesen Text von Michael Ende. pic.twitter.com/rKGgfC3kiZ
— Micha (@Gripskrams) April 10, 2018
Dass etwas, was eigentlich gut für einen wäre, übertrieben und zugespitzt wird und dann nicht mehr gut für einen ist
— Lesepatenkind (@lesepatenkind) April 10, 2018
Menschmaschinen.
Coaching-Blabla.
Unzufrieden.— azurgrau (@azurgrau) April 10, 2018
https://twitter.com/chamailion/status/983661553017815040
… an meine Mutter, die sagt: "Der Mensch ist eine Fehlkonstruktion."
— Little B. 🧡 (@LittleBinF) April 10, 2018
Schwachsinn
— rosa Bänkchen (@rosa_baenkchen) April 10, 2018
Stress.
Hektik, Stress, gesellschaftlichen Normen entsprechen, Diät, Schönheits-Op
— Frau Zeitlos (@FrauZeitlos) April 10, 2018
es gehört mit in die reihe von worten wie 'human resources', die aus menschen dinge machen, die so tun, als wäre alles plan- und terminierbar, als wäre alles nur eine frage von wollen, perfekter planung und umsetzung.
so funktioniert leben imo nicht.— telesabbie (@telesabbie) April 10, 2018
Selbstausbeutung.
— Inspektør Rabe (@Rabensalat) April 10, 2018
https://twitter.com/poppykind/status/983703080574357505
https://twitter.com/poppykind/status/983703384170684416
…das ist nen Euphemismus, oder?
Dass mein Tag zu wenig Stunden hat…
https://twitter.com/beautyofharmony/status/983713065949593600
Ich bin sooo müde 😴
— Erbsenkönigin (@LiveofTwins) April 10, 2018
Schrittzähler, Um 5:30 Uhr aufstehen zum Yoga, Lifecoach, clean eating, mindfulness…
— Janina (@Yahneena) April 10, 2018
I put the stop in Selbstoptimierung
— Stephan Chrzescinski (@chrzescinski) April 10, 2018
So. Jetzt habe ich hier kein Fazit, ich habe nur Laune. Ich kann wirklich nur abschließend sagen: Nicht über jedes Optimierungs-Stöckchen springen, gell? <3
Der Selbstoptimierung, die viele Menschen betreiben, fehlt das Selbst. Ich wüsste nicht wie ich es nennen würde aber sie optimieren sich anhand gesellschaftlicher Standards, an einem vermeintlichen optimalen Zustand. Einem Idealbild. Ich verstehe unter Selbstoptimierung nicht nur die Optimierung meiner Selbst, sondern auch NACH meinem Selbst. Nach meinen Bedürfnissen, meinen Wünschen und dem was mir gut tut. Ich HASSE Joga, dass spannt mich total an. Da ist es mir vollkommen Latte , ob irgendwelche Gurus und Wissenschaftler propagieren, wie gut das tut…