Der heutige Gastartikel hat mich sehr bewegt. Denn die Erinnerung, an die Gedämpftheit und das nicht fühlen können, die ist bei mir noch sehr präsent. Es ist einfach ein großer Scheiss, wenn man nix fühlen kann.
Ich danke Dir, dass Du diesen Artikel für mich geschrieben hast und ich freue mich am meisten mit Dir über den letzten Absatz. <3
Teile deine Geschichte hier…
Das steht im Textfeld bei WordPress. Ich will meinen Blog gerne pflegen und nutze die Maske, um meine Geschichte zu schreiben. Wie passend die Aufforderung ist, fiel mir vorher gar nicht auf. Ist aber ein netter Einstieg, denn das will ich ja tun. Ich will meine Geschichte mit der Depression teilen.
Es fing vor mittlerweile mehr als zwei Jahren an. Mein mittlerweile drittes Thema für die Masterarbeit hatte sich wegen fehlender Quellen in Luft aufgelöst. Im Gegensatz zu den ersten beiden Versuchen hatte ich hier aber schon über Monate intensiv recherchiert. Ich hing mit Hausarbeiten hinterher, eine hatte ich aufgeschoben, eine habe ich nicht bestanden, ich musste eine neue Wohnung haben und mein Studium, das sich geplant dem Ende zuneigen sollte, hing auf einmal komplett in der Luft. Ich vermutlich auch, aber das war mir nicht bewusst. Mein Körper ging mit alldem um, indem er einfach immer müde war. Ich konnte denken, handeln und mich um gewissen Dinge kümmern, aber mein Studium habe ich total schleifen lassen.
Mein damaliger Freund hatte ein Jahr zuvor psychische Probleme gehabt, vermutlich stressenderer. Wenn ich das alles auch noch ausführen würde, das wäre wohl zu viel. Wichtig ist hier, er hat diese negativen Gefühle geteilt, vor allem mit mir und seiner Familie, enge Freunde, über die er mit sowas sprechen würde, hatte er zumindest damals nicht. Im Gegensatz zu seinen Eltern, hatte ich mehr Verständnis, konnte es aber auch alleine nicht stemmen.
Ich habe das alles nicht geteilt. Wir haben kurz zusammen gewohnt, aber er war oft nicht da, und das hat mich auch nicht wirklich gestört. Ich habe den Großteil des Tages mit Serien verbracht und bin immer mal in die Stadt gefahren. Da ich recht weit weg von irgendwelchen Einkaufs- und Aufenthaltsmöglichkeiten war, musste ich immer mindestens eine Viertelstunde mit dem Bus fahren. Und das alles hat mich unglaublich ausgelaugt, auch, wenn ich nur kurz unterwegs gewesen bin.
Irgendwann war ich damit bei meiner Ärztin. Es wurde Blut abgenommen, Blutzucker gemessen und nichts gefunden. Ich er entmutigt und habe mich nicht weiter damit beschäftigt. Nach und nach ging es mir immer schlechter, und all das hat meinem Studium natürlich nicht geholfen. Im Januar 2016 war ich völlig verzweifelt und habe meiner Mutter heulend am Telefon erzählt, dass ich das alles nicht mehr schaffe und mein Studium abbrechen möchte. Ich habe bis dahin so gut wie nie mit meiner Mutter über solche Dinge geredet und mache das bis heute selten, deswegen war sie richtig überrascht, wie fertig ich war.
Aber sie unterstützte mich. Ich ging zur Studienberatung, die empfahl mit einen Termin bei der Unipsychologin und wir gingen meine Möglichkeiten durch.
Ich entschied mich, das mit dem Studium nochmal zu probieren. Ich suchte eine neue Wohnung, in der ich mich wohlgefühlt habe, ich besuchte Seminare, ich fand neue, sehr, sehr gute Freunde – und ich begab mich in Behandlung. Ich nahm (und nehme noch) Antidepressiva und begann eine psychologische Behandlung.
Es ging bergauf und ich hatte neue Motivation, doch so richtig konnte ich nicht begreifen, was mir fehlte. Erst mithilfe eines Comics, in dem ich mich wirklich wiedererkannt habe, habe ich verstanden, dass ich Depressionen habe. Da hatte ich schon ungefähr das erste Viertel meiner Therapie um.
Das zeigt auch ganz gut mein Problem. Ich erkenne nicht, dass mir etwas fehlt oder was mir fehlt. Mehr als die Hälfte der Therapie habe ich gebraucht, zu erkennen, dass ich meine Gefühle nicht erkennen kann. Ich hab das irgendwie schon immer gewusst, aber nicht bewusst. Und so mussten wir viele Dinge, von denen ich dachte, ich hätte sie überwunden, überhaupt erst einmal aufarbeiten. Denn ich hatte sie nur verdrängt. Der Tod eines ehemaligen Klassenkameraden als ich 12 war, der Tod zweier Onkel als ich 14 und 15 war, die Trennung meiner Eltern, der Tod meines Opas, der bei uns gewohnt hatte und krank war und immer da gewesen war – all das hatte ich anscheinend nicht verarbeitet. Hinzu kam noch, dass meine Eltern nie mit mir über Gefühle gesprochen hatten. Ich glaube, sie haben es auch nie gelernt. Ich bin ihnen deswegen auch nicht böse. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass sich vermutlich bereits da vieles manifestiert hat, was bis heute dazu führt, dass ich vieles nicht wahrnehme. Ich ging einfach immer sehr „gedämpft“ durch das Leben.
Meine Psychologin hat vorgeschlagen, ein Gefühlstagebuch zu führen. Das hat geholfen, dass ich mittlerweile besser erkenne, wie es mir geht.
Am Anfang dieses Jahres war ich wieder an einem Tiefpunkt angelangt. Ich habe mich, diesmal endgültig, entschieden, meinen Master abzubrechen. Ich habe einfach keine Möglichkeit gesehen, den in einer Zeit, die ich für mich für angemessen gehalten hätte, zu beenden. Ich habe es, diesmal etwas weniger verzweifelt, als ein Jahr vorher, mit meiner Mutter und meiner besten Freundin besprochen.
Kurz danach bin ich noch einmal in ein tiefes Loch gefallen. Aber ich konnte mich nur auf mich konzentrieren. Ich bin rausgegangen, ich habe Leute getroffen, ich hab gearbeitet und mich nur um mich gekümmert. Und in dem Moment war das für mich das Richtige.
Mittlerweile arbeite ich. Ich bin tatsächlich in dem Beruf, den ich mir schon als kleines Kind vorstellen konnte und auf den ich in den letzten zehn Jahren hingearbeitet hab. Ich wohne in einer Stadt, die ich mir schon in jungen Jahren als langfristigen Wohnort vorstellen konnte, vielleicht auch als Heimat. Die Arbeit macht mir Spaß und ich fühle mich glücklich. Und ich glaube, so habe ich mich noch nie über so einen langen Zeitraum gefühlt. Vielleicht habe ich das vorher nie wahrgenommen, doch ich glaube eher, dass ich vorher immer Dinge hatte, die mich belastet haben. Schon seit ich klein war, hat der Tod eine Rolle gespielt und auch als Kindergartenkind war ich mir der Sterblichkeit von Menschen bewusst. Ich habe viel gedacht und wenig gefragt und war melancholisch, ohne mir dessen bewusst zu sein. Und nun fühle ich mich zum ersten mal in meinem Leben mit mir im Reinen.
Ich bin zufrieden und gespannt, wie es so weitergeht.
Ich bin immer noch häufig müde. Dies mag an langen Tagen liegen, vielleicht sind es noch Nachwirkungen, vielleicht ist die Depression auch doch noch stärker da, als ich denke. Aber ich fühle mich nicht mehr hilflos ausgeliefert. Und ich habe keine Angst mehr, vor dunklen Löchern. Ich weiß, ich kann mir Hilfe suchen und ich finde auch welche. Und ich weiß, ich kann glücklich sein, über einen langen Zeitraum.
Am Anfang dieser Geschichte war ich sehr bedrückt und hatte das Gefühl, ich müsste weinen. Doch immer wenn ich schreibe, dass ich glücklich bin muss ich lächeln. Und dieses Glücklichsein überwältigt mich aufs positive immer wieder.