Ich freue mich sehr, dass sich Uwe Hauck bereit erklärt hat, einen Gastartikel für meine neue Reihe über Depressionen zu schreiben. Uwe haben die Depressionen zum Äußersten gebracht, aber er hat seinen Weg mit den Dämonen gefunden und steht nun kurz vor der Veröffentlichung seines Buches „Depression abzugeben“. Es ist so gut und wichtig, dass nun mit Uwe ein weiterer Mann an die Öffentlichkeit geht, um eben aus Sicht eines Mannes und Vaters das Thema aus der Tabuzone zu holen. Danke für Dein Engagement, lieber Uwe.
Ich? Depressionen????
„Ich, Depressionen? Ach was, das ist ein Burn Out.“
So hab ich damals gedacht, als mein Hausarzt mir nach einem Nervenzusammenbruch eine Depression diagnostizierte. „Wissen Sie, Burn Out als Diagnose gibt es nicht für die Kassen.“
Der Zusammenbruch
Damit war für mich die Sache erledigt. Das war vor 6 Jahren. Zwischenzeitlich klappte es mit der Arbeit wieder recht gut, bis ich wieder an Menschen geriet, die bei mir ein paar Trigger drückten. Also wieder zum Hausarzt, wieder die Antidepressiva, die ich zwischenzeitlich abgesetzt hatte, weil ich ungern Medikamente schlucke. Dieses Mal aber, Mitte 2013, riet er mir auch dringend zu einem Psychotherapeuten. Nicht völlig überzeugt suchte ich mir einen, der aber erst nach einem Jahr, im Herbst 2014 einen Platz für mich hatte.
Suizidversuch und stationäre Behandlung
Zu spät, wie ich an jenem verhängnisvollen 5. Februar 2015 erleben sollte. Durch einige, sagen wir mal, eher ungünstige und negative Gespräche in die Ecke gedrängt, kam es an jenem Tag zum Schlimmsten. Ich wollte mir das Leben nehmen.
Paradoxerweise eher aus einer Mischung aus Panik und Angst. Die Depression als tiefer liegende Ursache akzeptierte ich erst nach vier Wochen, in der Psychiatrie, wo man mich wegen des Suizidversuchs eingewiesen hatte. Insgesamt knapp 25 Wochen war ich 2015 in Kliniken und geheilt, das bin ich noch lange nicht. Ich habe Mittel und Wege, meine Depression und die damit einhergehende generelle Angststörung unter Kontrolle zu halten.
Agitierte Depression und Panikattacken
Die düsteren Tage, an denen nichts einen Sinn ergibt, keine Gefühle ausser Angst existieren, die sind noch lange nicht vorbei. Nur nicht mehr so tief, so bedrohlich. Zumal ich eine besondere Form der Depression habe eine agitierte Depression, bei der es nie Momente gibt, in denen ich nur noch im Bett bleiben möchte, gar nichts tun kann. Das schafft maximal eine schwere Panikattacke, die ich vor den Kliniken mehrmals im Monat, manchmal mehrmals wöchentlich hatte, die sich jetzt aber nur noch quartalsweise in mein Leben drängt. Meine Frau und meine drei Kinder kennen die Anzeichen mittlerweile, wissen, was es bedeutet, wenn ich wieder schweigsamer werde, negativ denke und zu viel grüble.
Ich will nicht sagen, dass mein Leben nur grau war und ist, aber es gab lange Zeiträume, die mir sehr hoffnungslos, bedrohlich erschienen. Meist fühlte ich mich am glücklichsten, wenn ich weitestgehend stressfrei leben, oder wenn ich den Stress selbst kontrollieren konnte. Mit dem Eintritt ins Angestelltenleben verschärfte sich meine Situation und je mehr Verantwortung ich für andere übernahm, um so größer und intensiver wurden auch die Panikattacken. Und durch das Verschleppen des Ganzen hat sich das ganze chronifiziert so daß ich nun unter einer rezidivierenden schweren Depression leide. Rezidivierend steht hierbei für wiederkehrend. Das heißt nicht, dass sie immer da ist, wohl aber, dass es sehr schwere, sehr dunkle Phasen geben kann, in denen mich dann am
ehesten noch meine Kreativität rettet, wenn ich mich mit malen oder schreiben ablenke.
Depressionen sind keine Charakterschwäche
Ich weiß jetzt auch, dass ich die Depression seit meiner Kindheit habe, dass meine Mutter einen großen Anteil daran hat und dass es keine Charakter-schwäche, sondern eine ernst zu nehmende Krankheit ist. Letzteres war ein langer Prozess, denn als Mann gilt auch heute oft noch das Klischee: Stark sein, hart sein, psychisch gesund sein. Was für eine Bullshit. Die Krankheit Depression trifft jeden fünften Deutschen im Laufe seines Lebens. Und sie ist eine Krankheit, die behandelbar ist, die man in den Griff bekommen kann und die rein gar nichts mit verrückt sein oder dumm sein zu tun hat. Im Gegenteil, sehr oft trifft es die intelligenten, die kreativen Köpfe. Das ist zwar kein Trost, aber es ist ein Puzzleteil, das bei der Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten hilft. Mittlerweile gehe ich an Schulen, um darüber aufzuklären, veröffentliche im Januar ein Buch über meine Geschichte
(https://www.amazon.de/Depression-abzugeben-Erfahrungen-aus-Klapse/dp/3404609220)
und gehe, wo immer sich die Chance bietet, in die Medien, damit endlich
Depression ein Thema ist, das nicht verschwiegen wird, sondern über das
man wie über einen Knochenbruch sprechen kann.
Manch einer mag hier behaupten, ich wolle mich profilieren, aber da kann ich nur sagen, eine Depression ist auch heute noch nichts, was ein gutes Thema fürs Profilieren ist. Wohl aber eines, das aus der Schmuddelecke der klinischen Erkrankungen heraus muss, damit mehr Menschen den Mut haben, sich zu ihrer Depression zu bekennen und sich helfen lassen.
Die Aufgabe der Gesellschaft
Was ich allerdings in der ganzen Zeit der Therpaien in den insgesamt drei Kliniken gelernt habe. Es ist auch eine gesellschaftliche Aufgabe, denn Stress, Existenzangst und ein Gefühl der Hilflosigkeit tragen sehr stark zur Entwicklung einer Depression bei. Wer sich permanent vor dem nächsten Tag fürchtet, wird zwangsläufig depressiv. Ich weiß, wovon ich rede, ich stecke da auch heute noch drin, habe Visionen von Untergang und sozialem Abstieg und kämpfe mich dort nur schwer und mit der Hilfe meiner Familie und meiner Follower in den sozialen Medien wieder heraus.
Ein Rat zum Schluß
Wenn ich einen Rat geben soll, dann ist es der: Lasst euch helfen, es
ist nichts, wofür man sich schämen muss und wer darüber spottet, der ist
es nicht wert, im Freundeskreis zu sein.
Depression kann lebensbedrohlich sein. Einen guten Freund habe ich durch
einen Suizid verloren, ich wäre beinahe selbst gestorben, weil ich zu
lange ohne Hilfe auskommen wollte.
Wenn ihr über einen längeren Zeitraum von sagen wir 4 Wochen permanent
tieftraurig oder komplett emotionslos seid. Geht zum Arzt. Kann der
Hausarzt sein. Aber lasst es prüfen. Wenn es keine Depression ist, um so
besser.
Vielen Dank, liebe Uwe
https://twitter.com/bicyclist
Tja, jetzt weiß ich auch warum ich so zögere mit einem eigenen Beitrag! So explizit und gut kann ich das gar nicht schreiben – mich überrollt der Wehdam von Zeit zu Zeit so sehr, dass ich nur noch heulen oder – im schlimmsten Fall – gar nichts mehr denken kann. Dann gibt es wieder Phasen, in denen ich denke, dass nichts ist und ich ‚eigentlich‘ doch, wen nicht glücklich – wenigstens nicht unglücklich bin. Bis irgendein Trigger wieder den vermaledeiten Wehdam rauslässt und ich… siehe oben!
Es gibt kein richtig oder falsch, zu viel, zu wenig oder explizit. Dein Kommentar ist aber schon mal ein guter Einstieg in einen Artikel. 😉
Ich will Dich gar nicht überzeugen, aber ich habe eine Idee: Du fängst einfach an zu schreiben und guckst, wie es läuft. Und am Ende hast Du all das aufgeschrieben, was rausmuss. Und selbst, wenn ich das nie erfahre, hat es sicher seinen guten Zweck erfüllt. <3
Kann da Tante Emma nur zustimmen. Schreib los, so hab ich es auch gemacht. Dass da mal 430 draus werden hätte ich selbst am wenigsten erwartet. Es geht darum, durch das Schreiben die eigenen Gedanken und Erlebnisse nochmal zu reflektieren. Dabei gibt es kein falsch, zu kurz, zu lang. Dabei gibt es nur dich und was dich beschäftigt.
Dankeschön für den Artikel.
Und dankeschön für das Teilhaben lassen und das Teilen der Gefühle.
Wer auch gerade zum Thema Depressionen geschrieben hat, aber aus Sicht der Angehörigen, ist just a thought.
Hier:
https://spreadrandomthoughts.wordpress.com/2017/01/02/das-leid-der-angehoerigen-und-ihr-umgang-mit-depression-teil-i/
Und hier:
https://spreadrandomthoughts.wordpress.com/2017/01/04/mitgehangen-mitgefangen-depression-ist-ein-arschloch-und-ich-eine-angehoerige-teil-ii/