Wie. ich. es. hasse. Vor relativ genau einem Jahr musste ich diesen Satz zum ersten Mal höre, von einer Dreifachmama, die mir dann auch noch sagte, ein Kind ist wie Urlaub. Ich antwortete nur: „Soso.“ Aber schnippisch.
Mal ehrlich, Mehrfachmuttis auf Euren hohen Rössern: Was genau bringt Euch dazu, so etwas zu sagen??
Genauso gut könnte ich doch erwidern: „Ach, wie toll, mehrere Kinder, dass muss ja sehr erholsam sein, wenn sie sich miteinander beschäftigen. Und die Großen auf die Kleinen aufpassen. Wie Urlaub.“
Beides ist Bullshit. Und mich macht es wütend, wenn man mir absprechen will, dass die Tatsache, ein Einzelkind zu haben, keine Erschöpfung, Sorgen und Stress in adäquater Auslastung rechtfertigt. Wo ist denn der Unterschied, ob ich für ein Kind oder für drei Nachts aufstehen muss? Fakt ist, ich schlafe nicht.
Ja, Fakt ist auch, dass ich bei drei Kindern ja schon zahlenmäßig einen Arm zu wenig habe und ich sicher mehr gestresst wäre, wenn drei Kinder in drei unterschiedliche Richtungen vor mir weglaufen oder drei Kinder an drei unterschiedlichen Stellen die Wände bemalen. Ja, das ist ganz sicher viel anstrengender und stressiger, als das Ganze nur mit einem Kind zu erleben. Und ich ziehe meinen Hut vor dieser Lebensleistung.
Aber dennoch ist auch ein Kind ein Kind.
Und mir zu unterstellen, ich hätte ja wohl mit einem Kind eher Urlaub ist schlicht und ergreifend eine Frechheit. Ein Kind respektive das erste Kind bringt eine unvergleichliche, nie da gewesene Veränderung des Lebens mit sich. Von völliger Freiheit zu krasser Fremdbestimmtheit. Auch EIN Kind kann einen an den Rand der Verzweiflung bringen und in einen Zustand nie da gewesener Erschöpfung. Außerdem durchlebt man alles zum ersten Mal und muss ganz oft und sehr schnell intuitiv Entscheidungen treffen, die man eben nicht schon ein oder zweimal überdenken konnte. Da hingegen macht es dann doch keinen Unterschied mehr zwischen Kind eins und zwei oder drei. Hm?
Ich möchte mir nur allein durch die Tatsache, dass ich NUR ein Kind habe eben nicht einfach unterstellen lassen, ich wäre nicht belastbar oder gar schon überfordert und hätte kein Anrecht auf mein Be- und Empfinden.
Passend dazu und der Grund, diesen Artikel endlich mal aus dem Entwürfe-Ordner zu holen und fertig zu stellen war dann folgender Tweet:
"Ein Kind ist kein Kind" stimmt nur, wenn man mehr als ein Kind hat.
Und das beschreibt schon das ganze Dilemma von Familie.
— Helena (@SchlimmeHelena) November 23, 2016
Es ist wie alles im Leben eine Frage der Betrachtungsweise. Ich persönlich wünsche mir einfach keine Bewertungen von außen und keine Vergleiche. Ja, ist naiv, weiß ich.
Und mal ganz davon abgesehen – auch wenn es für manche Menschen schier unvorstellbar ist: Ich möchte auch gar kein zweites Kind. Krass, oder?
Ich habe viele Geschwister. Ich hatte quasi immer nen kleinen Schieter am Rockzipfel. Ich hab mit zehn Jahren angefangen Babys zu baden und zu wickeln und Säuglinge zu hüten. Als sie älter wurden, sperrte ich sie aus meinem Zimmer, um mich dann lieber den neueren Nachzüglern zu widmen. Babys sind pflegeleichter als Klein- oder Schulkinder.
Für mich war das erste Kind also „Routine“, abgesehen von der Verantwortung, die ich plötzlich alleine zu tragen hatte, und ich jede Nacht raus musste, nicht nur manchmal, wie ich es gewohnt war. Mir war schnell klar, noch ein Zweites gleich hinterher haben zu wollen. Ich war schließlich schon viele Jahre voll in Übung. Mit zwei Kindern war es nicht anders, als mit einem. Die Liebe wurde nicht mehr, die Verantwortung auch nicht. Verantwortungsgefühl wächst nicht (!) proportional zur Kinderzahl. Liebe auch nicht. Man liebt ein Kind, wie man zwei Kinder liebt. Sorgen sind Sorgen, egal wie viele Kinder man hat.
Später – nervige Zwerge aus meinem Zimmer – dass ich da gar nicht mehr hatte, aber manchmal davon träumte – aussperren ging jetzt nicht mehr 😉 – hütete ich noch zwei gleichaltrige Nachbarskinder über die Mittagszeit, bis ihre Mutter von der Arbeit kam. Auch das änderte nichts. Es ist egal, ob man für ein oder vier Kinder verantwortlich ist. Man ist verantwortlich. Es ist egal, ob man mit einem Kind oder vieren zum Arzt muss. Man muss.
Dazu kommt, eine Mutter, die drei Kinder hat, wird „nebenbei“ nicht in Vollzeit arbeiten.
Weißt du, es gibt Menschen, die machen da ein riesen Brimborium drum. Kinder müssen dies, Eltern müssen das. Es ist nur richtig, wenn es so ist, also falsch, wenn es andersrum ist. Das hat bisweilen was von einer Religion. Statt sich aufs Gefühl zu verlassen. Das denken und das Dogma hinter dem Denken, das stelle ich mir ziemlich anstrengend vor. Vielleicht ist es das, was solche Mütter zu derartigen Aussagen verleitet? Sie müssen sich beweisen und wenn man ihnen sonst keine Beachtung schenkt, besorgen sie sich die eben selbst, indem sie sich größer machen, als sie sind.
Lass dich nicht ärgern!
Btw: Ich bin gottfroh, dass es „zu meiner Zeit“ kein Internet gab, und ich von sowas verschont blieb. Das war manchmal in der realen Welt schon obernervig. Wie das im Netz ist, will ich mir nicht ansatzweise vorstellen.
Herzlichen Dank für diesen tollen, differenzierenden Kommentar. Und wie ich es immer von Dir gewohnt bin, ist er so angenehm „bodenständig“. Ein anderes Wort will mir grad nicht dazu passen. Ja, es wird um vieles viel zu viel Gewese gemacht. Früher war manches sicher leichter, aber nicht unbedingt alles besser. OT: Ich finde es gut, dass wir jetzt eine Generation haben, die die Bedürfnisse der Kinder mehr achtet und dass Kinder nicht mehr einfach nur zu funktionieren haben. Aber auch da gibt es Auswüchse… Es ist wie mit allem eine Frage der Dosierung.
Und ich finde es sehr wohltuend, einen Kommentar wie Deinen zu lesen. Es ist´, wie es ist.
Ich mag halt keine Allgemeingùltigkeiten 😉 Ich hab früher auch die Bedürfnisse des Einzelnen geachtet. Das ging auch ganz ohne Internet 😀
Hehe. Es geht vieles ohne Internet. 😎
[…] über Ein Kind ist kein Kind — Gemischtwaren | von allem etwas […]
[…] Kind ist kein Kind (ja ihr ahnt es, das hier ist aus einem Gespräch mit Tante Emma erwachsen, s. Blogartikel). Wie, du willst kein zweites Kind? Na warte mal ab. Das kommt schon noch. Einzelkinder sind doch […]