In meiner Twitter-Timeline ist derzeit leider verstärkt das Thema der seelischen Versehrtheit anzutreffen.
Dies ist ein Grund mehr für mich, mich mit meiner Geschichte auseinanderzusetzen. Ich bezeichne mich heute als geheilt von meinen Depressionen, dennoch ist es so, dass ich sie als Teil von mir bezeichne. So wie ein trockener Alkoholiker immer Alkoholiker ist, auch wenn er die Krankheit überwunden hat.
Und so ist es auch nicht sonderlich verwunderlich, dass es wohl Langzeitschäden gibt. Beim Alkoholiker ist es vielleicht die Leber, bei mir ist es die Festplatte. 😉
Mir ging endlich ein Licht auf: In den vergangenen Monaten hat sich mein ehemaliger Kinderchor wieder zusammengefunden, wir probten wochenlang zusammen und hatten im Dezember ein tolles Weihnachtskonzert. Bei jedem der Treffen wurden Geschichten von früher aufgewärmt, Namen in den Raum geworfen und in der Vergangenheit geschwelgt. Einige der Gesichter und Namen habe ich wiedererkannt, viele nicht. Es war wie ein weißes Rauschen. Die Erinnerungen waren nicht da! Da dämmerte mir so langsam – endlich – was mir immer ein Rätsel war, wenn jemand von früher erzählte: Die Erinnerungen sind nicht da. Sie sind nie abgespeichert worden oder sie wurden durch die Krankheit überlagert. Vermutlich, weil sie nicht mit starken Emotionen verknüpft waren oder weil ich auch Unangenehmes verdrängt habe. Wie dem auch sei, mir sind die berühmten Schuppen von sonstwo heruntergefallen und all die Jahre, die ich mich schlecht fühlte, weil ich mich an das Mädchen xy und die Situation z nicht erinnern konnte: Ich kann nichts dafür. Ich bin nicht unaufmerksam oder gleichgültig, meine verdammte Festplatte ist defekt. Diese Erkenntnis ist für mich eine unglaubliche Erleichterung und wie eine Offenbarung.
Und so weiß ich nun auch, warum ich mich eben viel viel mehr an die letzten 15 Jahre erinnere, als an die ersten 24 Jahre meines Lebens. Und weshalb ich immer so viele Fotos mache, wo ich gehe oder stehe: Ich will nichts mehr vergessen.
Zwei interessante Gedanken: Als Ex-Partnerin eines Depressiven habe ich auch oft den Alkohl-Vergleich benutzt. Viele Verhaltensmuster sind gleich. Auch oft die der Angehörigen.
Das mit der Festplatte habe ich – auch ohne Depression – auch. Ich kann mit an ganz viel meiner Kindheit/ Jugend nicht erinnern. Also eigentlich erst ab der Abizeit wirklich. Davor habe ich von vielen Dingen nur fragmentartige Erinnerungen. Ich werde mal in mich gehen müssen. Ich glaube eine kleinen Headcrash hat meine Festplatte auf jeden Fall bekommen, als sich mein erster langjähriger Freund von mir getrennt hat…
Herzlich Willkommen. 🙂
Danke für Deine Gedanken. Das ist ja schon ein bisschen spooky.
Ich hoffe, ich habe da jetzt in kein Wespennest gestochen, Aber eigentlich ist es gut, wenn man die Dinge der Vergangenheit aufräumt. Vielleicht gibt es ja auch bei Dir ein Aha-Erlebnis. Meist helfen diese dann auch in der Gegenwart und in jedem Fall in der Zukunft. Eine so verhältnismäßig lange Zeit ohne richtige Erinnerungen ist sicher Grund, mal nachzuforschen. Ich will jetzt nichts herbeireden, vielleicht hat es ganz unbedeutende Gründe.
Jo, die erste Liebe. Die hinterlässt immer Dellen.
[…] nicht groß gestört. Aber Freitag “fiel” ein Satz auf Twitter und ich las den Text von Tante Emma. Und seitdem kaue ich auf dem Gedanken rum: Man erinnert sich nicht an Dinge/ Situationen, wenn sie […]
[…] dennoch hier – als Einschub – das, was ich immer über meine Depressionen sage: Sie sind ein Teil von mir, so wie bei einem trockenen Alkoholiker die Krankheit immer ein Teil von […]
[…] bin ja der visuelle Typ. Ich habe immer schon gerne fotografiert (und nun auch endlich verstanden, weshalb) und dank meines Social Life teile ich eh gerne Fotos. Das hat der Keks sich wohl abgeguckt, denn […]